Wieviel CO2 bleibt in der Atmosphäre?
[latexpage]
Es gibt zwei Teile der Klimadiskussion:
- Die Empfindlichkeit der Temperatur gegenüber dem atmosphärischen $CO_2$-Gehalt
- Die Menge an $CO_2$ in der Atmosphäre
Während die $CO_2$-Sensitivität die wissenschaftliche Klimadiskussion dominiert, werden die politischen Entscheidungen von „Kohlenstoffbudget“-Kriterien auf der Basis von Zahlen dominiert, die kaum öffentlich diskutiert werden.
Es wird behauptet, dass mehr als 20 % des emittierten $CO_2$ für mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre verbleiben werden.
In diesem Artikel soll der Zusammenhang zwischen $CO_2$-Emissionen und dem tatsächlichen $CO_2$-Gehalt in der Atmosphäre untersucht werden.
Mit Hilfe dieses als Modell verwendbaren einfachen Zusammenhangs werden verschiedene zukünftige Emissionsszenarien und deren Auswirkung auf den atmosphärischen $CO_2$-Gehalt untersucht.
Kohlendioxid-Emissionen in der Vergangenheit
Ausgangspunkt sind die tatsächlichen $CO_2$-Emissionen während der letzten 170 Jahre:
Es ist sehr informativ, von dieser Zeitserie die (prozentualen) relativen Veränderungen y'(t)/y(t) zu betrachten (Hier mathematische Herleitung). Dies ist das Äquivalent des Wirtschaftswachstums für $CO_2$ Emissionen.
Der größte Anstieg der $CO_2$-Emissionen war zwischen 1945 und 1980, die Phase des großen Wachstums an Wohlstand und Lebensqualität v.a. in den Industrieländern, wobei der absolute Höhepunkt des weltweiten Emissions-Wachstums im Jahre 1970 überschritten wurde, interessanterweise 3 Jahre vor der ersten Ölkrise. Um die Jahrtausendwende gab es nochmal einen Anstieg der Emissionen, diesmal verursacht durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Schwellenländer. Seit 2003 geht das Anwachsen der Emissionen stetig zurück, und hat de facto bereits die Nullinie unterschritten, d.h. ab sofort werden die Emissionen voraussichtlich nicht mehr anwachsen, trotz des Wachstums in China, Indien und anderen Schwellen- und Entwicklungsländern.
Dies wird überzeugend dargestellt in der Zeitserien-Graphik des Global Carbon Projekts:
Der langjährige Rückgang der Emissionen in den Industrieländern hält sich aktuell die Waage mit dem seit 2010 verlangsamten Anstieg in den Schwellenländern China und Indien.
Demzufolge ist es realistisch und legitim, einen ab 2019 konstanten $CO_2$-Ausstoß als „business as usual“ zu bezeichnen (2020 war ein Covid-19 bedingter Emissions-Rückgang). Nach den neuesten Zahlen (2021) Zahlen des Global Carbon Projects sind bereits seit 2010 die Gesamtemissionen, die den Land-Flächenverbrauch beinhalten, nicht mehr angestiegen:
Prognose des CO2-Gehalts der Atmosphäre mit simplen Emissions-Modellen
Es wird angenommen, dass vor 1850 das $CO_2$-Niveau annähernd konstant war und dass der gemessene $CO_2$-Gehalt die Summe aus dem vorindustriellen konstanten Niveau und einer Funktion der $CO_2$-Emissionen ist.
Drei verschiedene Modelle werden getestet – diese Modelle haben nicht den Anspruch, die Physik abzubilden, sie liefern einen möglichen funktionalen Zusammenhang zwischen $CO_2$-Emissionen und atmosphärischem $CO_2$-Gehalt, der für Prognosen geeignet ist.:
- Das erste Modell geht davon aus, dass alle $CO_2$-Emissionen für immer in der Atmosphäre bleiben. Das bedeutet, dass der zusätzliche – über das vorindustrielle Niveau hinausgehende – $CO_2$-Gehalt die kumulative Summe aller $CO_2$-Emissionen wäre.
- Das zweite Modell geht von einem exponentiellen Zerfall des emittierten $CO_2$ in die Ozeane bzw. die Biosphäre mit einer Halbwertszeit von 70 Jahren aus, d.h. die Hälfte des zusätzlich emittierten $CO_2$ ist nach 70 Jahren absorbiert. Dies wird durch eine Faltung mit einem exponentiellen Zerfallskern und einer Zeitkonstante $70/ln(2) \approx 100 $ Jahre erreicht
- Das dritte Modell geht von einem exponentiellen Zerfall des emittierten $CO_2$ in die Ozeane bzw. Biosphäre mit einer Halbwertszeit von 35 Jahren aus, d.h. die Hälfte des emittierten $CO_2$ ist nach 35 Jahren absorbiert. Dies wird durch eine Faltung mit einem exponentiellen Zerfallskern und einer Zeitkonstante $35/ln(2) \approx 50 $Jahre erreicht.
Um die Zahlen vergleichbar zu machen, müssen die Emissionen, die in Gt gemessen werden, in ppm umgerechnet werden. Dies geschieht mit der Äquivalenz von 3210 Gt $CO_2$ = 410 ppm ( Gesamtmasse des $CO_2$ in der Atmosphäre und Anteil im Jahr 2015 )
Die gelbe Kurve sind die gemessenen tatsächlichen Emissionen aus dem obigen Diagramm, und die blaue Kurve ist der gemessene tatsächliche $CO_2$-Gehalt.
Das erste „kumulative“ Modell approximiert den gemessenen $CO_2$-Gehalt von 1850 bis 1910 recht gut, überschätzt aber den $CO_2$-Gehalt nach 1950 stark. Dies falsifiziert die Hypothese, dass $CO_2$ für „Tausende von Jahren“ in der Atmosphäre bleibt.
Auch das zweite Modell mit einer Halbwertszeit von 70 Jahren des emittierten $CO_2$ überschießt nach 1950 erheblich, es approximiert die Zeit zwischen 1925 und 1945. Das dritte Modell mit einer Halbwertszeit der Emissionen von 35 Jahren passt sehr gut zum tatsächlichen $CO_2$-Gehalt von 1975 bis heute.
Dies bestätigt, was erst kürzlich in Nature veröffentlicht wurde, dass die Rate der $CO_2$-Absorption in die Ozeane mit steigendem atmosphärischen $CO_2$-Gehalt zunimmt. Physikalisch ist das insofern plausibel, weil der mit wachsender Konzentration steigende atmosphärische Partialdruck des $CO_2$ eine wachsende Absorption nahelegt. Dass die Absorption höher ist als nach den bisherigen Modellen, liegt daran dass in der für den Gasaustausch relevanten dünnen Oberflächen-Grenzschicht durch die Verdunstungskälte des Wasserdampfs die Oberflächen-Temperatur niedriger ist als bisher angenommen.
Ein Abflachen des Effekts, etwa aufgrund von Sättigung des $CO_2$-Gehalts im Meer, ist nicht zu erkennen. Im Gegenteil, der Effekt wird in den letzten Jahren größer.
Der gleiche Zusammenhang, insbesondere die zunehmende „Kohlenstoffsenke“ von Ozeanen und Biosphäre, wird vom Global Carbon Project in dieser Grafik gezeigt:
Obwohl für die Zukunft ein weiterer Anstieg des $CO_2$-Flusses in den Ozean zu erwarten ist, können wir daher das dritte Modell mit einer Halbwertszeit von 35 Jahren für konservative, d.h. nicht optimistische Vorhersagen verwenden.
Zukunftsszenarien
Um politische Entscheidungen zu bewerten, werde ich dieses Modell anwenden, um den zukünftigen $CO_2$-Gehalt mit 3 verschiedenen Szenarien vorherzusagen:
- Das erste Szenario (rot) möchte ich als „Business-as-usual“-Szenario bezeichnen, in dem Sinne, dass China sich verpflichtet hat, den Anstieg der $CO_2$-Emissionen nach 2030 zu stoppen. Bereits jetzt steigen die weltweiten $CO_2$-Emissionen nicht mehr an, und die Industrieländer haben alle fallende Emissionen. Dieses Szenario nimmt an, dass die globalen Emissionen auf dem aktuellen Maximalwert von 37 Gt/a bleiben. Gesamtbudget bis 2100: 2997 Gt $CO_2$, danach 37 Gt/Jahr
- Das zweite Szenario (grün) ist die weithin proklamierte Dekarbonisierung bis 2050.
Dabei wird verschwiegen, dass ein weltweiter vollständiger Ersatz existierender fossiler Energiequellen die tägliche Neuinstallation des Äquivalents eines größeren Kernkraftwerks mit je 1,5 GW Leistung erfordern würde.
Gesamtbudget bis 2100: 555 Gt $CO_2$, danach 0 Gt/Jahr. - Das dritte Szenario (blau) ist ein realistischer Plan, der die Emissionen bis 2100 auf 50% reduziert, also etwa dem Wert von 1990. Dieses Szenario spiegelt die Tatsachen wider, dass fossile Brennstoffe endlich sind und dass Forschung und Entwicklung neuer zuverlässiger Technologien Zeit brauchen.
Gesamtbudget bis 2100: 2248 Gt $CO_2$, danach 18,5 Gt/Jahr
Die Konsequenzen für den $CO_2$-Inhalt sind folgende:
- Das erste Szenario (rot) erhöht den $CO_2$-Gehalt, aber nicht über 510ppm in der fernen Zukunft hinaus, was weniger als eine Verdopplung gegenüber der vorindustriellen Zeit bedeutet. Je nach Sensitivität (0,5°…2°) bedeutet dies einen hypothetischen Temperaturanstieg von 0,1° bis 0,6° gegenüber den heutigen Temperaturen, bzw. 0,4° bis 1,4° seit der vorindustriellen Zeit. In jedem Fall unter dem optimistischen Ziel von 1,5° des Pariser Klimaabkommens.
- Das zweite Szenario — weltweit schnelle Dekarbonisierung — (grün) erhöht den $CO_2$-Gehalt kaum noch und reduziert den atmosphärischen $CO_2$-Gehalt schließlich auf vorindustrielles Niveau.
Wollen wir das wirklich? Das würde einen Nahrungsentzug für alle Pflanzen bedeuten, die am besten bei $CO_2$-Werten größer als 400 ppm gedeihen. Nicht einmal der Weltklimarat (IPCC) hat eine solche Reduzierung jemals als Ziel formuliert. - Das realistische Reduktions-Szenario (blau) hebt die $CO_2$-Werte die nächsten 50 Jahre leicht an, hält sie aber unter 455 ppm und senkt sie nach 2055 dann allmählich auf das Niveau von 1990.
Schlussfolgerungen
Nicht einmal das pessimistischste der oben beschriebenen Szenarien erreicht auch nur annähernd einen „katastrophalen“ $CO_2$-Gehalt in der Atmosphäre.
Das Szenario der vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 kann nur als völliger Unsinn bewertet werden. Abgesehen von der Unmöglichkeit, bis dahin täglich eine Energiequelle mit dem Äquivalent eines größeren Kernkraftwerks zu installieren, kann sich niemand wünschen, auf das vorindustrielle $CO_2$-Niveau zurückzugehen. Eine einseitige Dekarbonisierung von Deutschland oder Europa hat ohnehin so gut wie keinen Effekt auf den weltweiten $CO_2$ Gehalt.
Auf der anderen Seite motivieren die begrenzten fossilen Ressourcen dazu, sie auf eine machbare und menschenwürdige Weise zu ersetzen. Dies spiegelt sich im „Kompromiss“-Szenario wider, das die langfristigen weltweiten Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts schrittweise auf das Niveau des Jahres 1990 reduziert.
Allen, die sich darüber Sorgen machen, durch die Aufnahme des $CO_2$ aus der Atmosphäre würden die Ozeane „versauern“, sei gesagt, dass die gesamte Menge des $CO_2$ in der Atmosphäre gerade mal 2% dessen sind, was in den Ozeanen gelöst ist. Davon gelangt nur ein Teil in die Ozeane. Auch wenn die Vorgänge sehr komplex sind, kann davon ausgegangen werden dass die Veränderung des $CO_2$-Gehalts in die Ozeanen für alle oben genannten Szenarien vernachlässigt werden kann. Dazu kommt, dass etwa die Hälfte des zusätzlichen atmosphärigen $CO_2$ in Form der $CO_2$-Düngung der Biosphäre, insbesondere Begrünung und Humusbildung, zugute kommt.
Die Frage, welche Auswirkungen diese Szenarien auf die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur haben werden, wird in diesem Beitrag behandelt.